Foto by Michał Ludwiczak
Foto by Michał Ludwiczak

Ein Duft, welcher nur selten sein Heim erfüllte, lag in der Luft, als Jim die Villa betrat. Ein Blick in die Essecke verriet ihm, dass diese bereits für ein Abendessen gedeckt war. Auf Anhieb wusste er, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, Sue das Jobangebot gemacht zu haben. Es war ihm nicht nur um eine Begleitung für Veranstaltungen gegangen. Auch seine Einsamkeit machte
ihm zu schaffen, welche nun hoffentlich der Vergangenheit angehörte. Die große Dunstabzugshaube über der Kochinsel war aller Ehren wert. Ihr Rauschen gepaart mit Topf- und Geschirrgeklapper hatte Jims Ankommen übertönt. So wusste seine neue ... Wie sollte Jim sie denn nennen? Angestellte? Mitbewohnerin? Begleitung? Er entschloss sich dazu, dass sie einfach nur Sue für ihn sein würde. So wusste diese nicht, dass sie nicht mehr allein war. Jim erlaubte sich einen kleinen Scherz.

»Was machen Sie in meiner Küche?«, fragte er ernst.

Erschrocken fuhr die junge Frau, die mit dem Rücken zu ihm am Herd stand, mit erhobenem Kochlöffel herum. Sie sah noch bezaubernder aus, als an jenem Abend in Harry´s Maze, der ihrer beider Leben verändert hatte. Ihr schulterlanges, blondes Haar legte sich geschmeidig auf ihre schwarze, geblümte Bluse mit durchsichtigen Ärmeln. Eine schwarze Jeans und weiße Stoffschuhe ließen ihr Outfit leger wirken. Schick hatte sie sich gemacht, jedoch wirkte sie nicht overdressed. Genau passend für den ersten Abend, der zumal auf geschäftlicher Basis beruhte.

Wie bei einem Verbrechen ertappt, sah Sue ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

»Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass ich ...«

An Jim war kein guter Schauspieler verloren gegangen, weswegen er seine Show schnell beendete. Seine Ernsthaftigkeit wich einem Lächeln, was sein Gegenüber nur noch mehr zu irritieren schien.

»Alles okay, Miss Turner«, versuchte er, die Situation zu entschärfen. »Ich habe mir nur einen Scherz erlaubt.«

Erleichtert ließ die junge Frau den Kochlöffel sinken und ein zaghaftes Lächeln machte sich auf ihren schmalen Lippen breit. »Trotzdem tut es mir leid, dass ich mich einfach so in Ihrer Küche breitgemacht habe.«

»Es ist jetzt auch Ihre Küche.«

»Ja, aber ...«

»Kein aber!« Einfühlsam sah er sie an. »Sie wohnen hier und sollen sich wie zuhause fühlen. Dann ist es das Mindeste, dass Sie hier schalten und walten können, wie sie möchten.«

»Ehrlich?« Ungläubig blickte Sue ihn an, schien nicht so recht glauben zu können, was er soeben gesagt hatte.

»Zumindest, was die Räumlichkeiten angeht, die wir beide nutzen werden. In den ersten drei Zimmern auf der rechten Seite, wenn Sie die Treppe hochkommen, haben Sie aber nichts zu suchen.«

»Okay, habe ich abgespeichert.«

Erst jetzt bemerkte Jim, dass sich Sues Griff um den Kochlöffel erneut versteift hatte. Von zwangloser Konservation konnte hier nicht die Rede sein. Also versuchte er, diese nun in die Gänge zu bringen.

»Haben Sie für uns gekocht?«

Nervös warf Sue einen Blick auf den Kochtopf hinter sich und dann wieder zurück auf Jim. »Ja.«

»Wirklich?«, entgegnete er erstaunt. »Ich hatte Sie eigentlich zum Essen ausführen wollen.«

»Oh, das wusste ich nicht.« Enttäuschung machte sich in Sues Gesicht breit. Toll! Das hatte Jim ja wunderbar hinbekommen.

»Ach, vergessen Sie es. Dafür lade ich Sie morgen zum Brunch ein. Was haben Sie denn Leckeres gezaubert?«

»One Pot Pasta mit Huhn.«

»Das klingt interessant«, gab Jim ehrlich zu. »Ich habe weder One Pot Pasta noch Pasta mit Huhn schon mal gegessen.«

Endlich kehrte Sues Selbstsicherheit wieder zurück. »Es schmeckt wirklich sehr gut.« Was Kochen anbelangte, schien sie zu wissen, dass sie es draufhatte.

»Dann freue ich mich auf ihre kulinarischen Künste. Wie lange dauert es denn noch?«

»Ungefähr eine viertel Stunde.«

»Gut. Kann ich Ihnen noch irgendwie zur Hand gehen?«

Schnell schüttelte Sue den Kopf, als wollte sie keine Hilfe – oder zumindest nicht von Jim. »Es ist ja bald fertig und der Tisch ist auch schon gedeckt. Sie können also einfach Platz nehmen, wenn es so weit ist.«

»Gut, dann suche ich uns noch einen passenden Wein zum Essen heraus.«

Mit einem wohlwollenden Nicken machte Jim auf dem Absatz kehrt und suchte das Obergeschoss der Villa auf, um sich für den ersten Abend mit Sue frischzumachen.