Coverdesign by Florin Sayer-Gabor - www.100covers4you.com
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»Oah Mutter, ich bitte dich«, entfuhr es mir angesäuert.

»Warum nennst du mich eigentlich immer Mutter?«, begann sie ein altbekanntes und von mir gehasstes Thema. »Nenn mich doch Mum oder Ma, meinetwegen auch Mama. Oder Mami.«

»Mami?«, wiederholte ich befremdet. »Ich bin doch keine fünf mehr.«

Wenn ich eines hasste, dann die Tatsache, dass sie immer wieder so tat, als wäre sie die Übermutter und hätte alles richtig gemacht in ihrem Leben. Natürlich war mir durchaus klar, dass niemand perfekt war. Doch meine Mutter hatte es in letzter Zeit einfach übertrieben. Und wenn ich sie darauf ansprach, wollte sie nichts davon hören. Nicht, weil sie ein schlechtes Gewissen mir oder Papa gegenüber hatte. Nein, sondern weil sie sich keiner Schuld bewusst war, was mich absolut anwiderte. Immer wieder hieß es: Rolf war ja nie für mich da. Hm, komisch, für mich war er immer dagewesen. Und einmal abgesehen davon, wie sollte er für jemanden da sein, der selbst nur unterwegs gewesen war und nicht viel vom Familienleben gehalten hatte? Wie ich es auch drehte und wendete, ich kam immer wieder zu dem Entschluss, dass Papa ohne sie besser dran war. Und trotzdem konnte ich ihr nicht verzeihen, dass sie dieses Leid über unsere Familie gebracht hatte. Nur zu gut wusste ich, wie es sich anfühlte, betrogen zu werden. Damals hatte sie selbst mitbekommen, wie sehr ich gelitten hatte, und trotzdem hatte sie Papa – und damit irgendwie auch mir – dasselbe angetan.

Sobald ich meine Mutter sah, konnte ich mich innerlich in Rage reden. Der Wahnsinn, zu was sie mich immer wieder brachte, obwohl das überhaupt nicht meiner Natur entsprach.

»Na, wie dem auch sei«, wiegelte sie das Thema, wie ich sie nennen sollte, ab. »Wer war das? Dein neuer Freund?«

»Und wenn dem so wäre? Was wäre dann? Würdest du ihn dann weniger attraktiv finden?«

»Du bist meine Tochter.« Jetzt kam sie mir wieder mit dieser Masche. »Ich würde nie etwas tun, was dich unglücklich machen würde.«

»Ha!«, lachte ich auf, woraufhin ich einen fassungslosen Blick erntete. »Seit wann bist du denn so rücksichtsvoll?«

»Jennifer Ines Sophia Steinholz!«, nannte sie mich bei meinem vollen Namen, was mir jedes Mal die Galle aufsteigen ließ. Ich hasste es wie die Pest, wenn sie das tat.

»Du sollst mich nicht immer so nennen.«

 

»Und du sollst mich nicht Mutter nennen.«